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zu: WM 2010
Journal Frankfurt, 31. Januar 2011
ABERMALS VERLÄNGERT – Die Retter der Goethe-Mauer
Einsam thront das Goethe-Denkmal auf dem tristen Platz mitten in der Stadt. Ein kleines Mäuerchen soll das Denkmal seit Monaten attraktiver machen. Das ruft Fürsprecher und Widersacher auf den Plan.
Sie wundern sich über die komische Mauer, die nun schon seit Monaten um das Denkmal unseres Heimatdichters Goethe herumsteht? Kaum zu glauben, aber wahr: Das ist Kunst. Zu Goethes Geburtstag am 28. August hat der weltberühmte belgische Künstler Jean-Luc Cornec den Ziegelsteinwall errichtet. Seitdem steht er da rum. Das macht den Platz nicht unbedingt hässlicher, weil das auch kaum möglich ist, diesen Platz noch hässlicher zu machen. Das Denkmalamt allerdings forderte die letzten Monate: Die Mauer muss weg! Doch scheinbar hat das Amt nun ein Einsehen. Die Mauer bleibt - und zwar nach Absprache mit dem Denkmalamt bis mindestens 31. März. Schuld sei die positive Resonanz der Bürger. "Es ist zu beobachten, dass so das Denkmal und damit auch das Werk des großen Frankfurters noch einmal anders und aufmerksamer wahrgenommen wird", erklärt Kulturdezernent Felix Semmelroth (CDU). Doch vielleicht hat auch die Initiative, die sich für das Denkmal ausspricht, sein Übriges getan: "Die Ziegelsteinmauer des Frankfurter Künstlers Jean-Luc Cornec muss unbedingt erhalten bleiben. Sie bereichert und wärmt das Stadtbild. Auf dem städteplanerisch ja nicht gerade geglückten Platz mitten in unserer Stadt ist dieser neu entstandene Ort ein wahrer Glücksfall!" Das schreibt Verleger Joachim Unseld in einer Rundmail. So will er Unterstützer für eine Unterschriftenaktion zum Erhalt des Kunstwerks mobilisieren. Ob das wohl klappt? Wir werden es sehen. Nun hat er noch zwei Monate Zeit...
zu: WM 2010
Kulturexpress, 6. September 2010
Ausstellungsprojekt im Frankfurter Goethemuseum
Wie stellt man Literatur aus?
Sieben Positionen zu Goethes "Wilhelm Meister"
Die temporäre Backsteinmauer des Jean Luc Cornec umringt das Goethedenkmal in einem nicht
geschlossenen Kreis. Die Leute sind aufgerufen sich hineinzubegeben.
Foto: Maass
Mit dem Wort ausstellen ist eigentlich schon alles gesagt, was sich im Goethemuseum abspielt. Alte Literatur auf neuen Pfaden präsentieren, haben sich die Kuratoren zum Ziel gesetzt. Das geschieht experimentell. Wie sich das äußert , was sich die Kuratoren ausgedacht haben, findet an drei Orten statt. Im ovalen Arkadensaal des Museums sind die sieben Positionen, die Projekte der Künstler aufgebaut. In der Speisekammer der Goethes im ersten Stock des historischen Gebäudes befindet sich eine Duftsammlung, deren Aufgabe ist, dem Besucher ein bestimmtes Flair zu suggerieren. Damit soll eine Umkehrung des Vorhandenen erreicht werden. Als drittes ist das Goethedenkmal zu erwähnen, das früher in der Taunusanlage seinen Platz hatte und jetzt mitten auf dem Goetheplatz vor dem Hintergrund der Frankfurter Skyline steht. Das Denkmal wird durch eine temporäre Mauer aus Backsteinen umringt. Ein Kunstwerk wie sich herausstellt, womit der Begriff des Ausstellens wieder ins Spiel gebracht wäre.
In einem Gespräch mit Ruth Fühner, sagte der Künstler Jean Luc Cornec: "Mein Turm ist ja einerseits im Bau - aber zugleich ist er schon eine Ruine"."Wilhelm Meister" zählt wie Goethes "Wahlverwandtschaften" zu den großen Entwicklungsromanen der Epoche. Im frühen 19. Jahrhundert fand ein Umbruch auf dem Gebiet der Literatur statt. Es gibt eine Aussage im Roman von "Wilhelm Meister", wo er sagt, er wolle sich dem Druck seines bisherigen Leben entziehen - da ist das Prägende, das Prägen schon drin, erklärt der Künstler. Besonders gut sieht man das an dem isolierten Stein, dem Modul in der Ausstellung im Goethe-Haus - so ein Stein, der will etwas erzählen, jeder kann darauf etwas projizieren. Manche erinnert das an die Anfänge der Schrift.
Der Konzeptkünstler Jean Luc Cornec meint, ein Stein in einer Vitrine sei für ihn ein Paradox. Eigentlich wirft man mit Steinen, um Revolution zu machen, so wie 1968 auch in Frankfurt. So ist der Stein in der Vitrine fast eine Anspielung auf die, die den langen Gang durch die Institutionen angetreten haben und jetzt etabliert sind. Das erinnert auch an "Wilhelm Meister". Man könnte von ihm sagen, er verrät seinen Traum - oder, andersherum: er wird vernünftig. Und gehört von da an wie die 68er zu denen, die nicht mit Steinen werfen sollten, weil sie im Glashaus sitzen.
Irgendwann hat sich der Künstler, wie Wilhelm Meister auf Reisen begeben, um jemanden zu finden der die Steine produzieren sollte. Er hat Ziegeleien in Belgien und Norddeutschland aufgesucht, manche waren zu teuer, die anderen wollten sich auf so einen Auftrag nicht einlassen. Es war die letzte, bei der es geklappt hat. Die Firma Deppe an der holländischen Grenze bei Nordhorn, der Besitzer fand das Projekt spannend und hat einen großzügigen Preis gemacht.
Jean Luc Cornec sagt: "Ich hatte die Arbeit schon fertig konzipiert, so wie sie jetzt da steht,
als Turmgrundriss, Turmruine mit dem offenen Zugang - und dann les ich den Text noch mal, Wilhelm Meister, konkret über die Turmgesellschaft. Ich hatte den schon dreimal sehr aufmerksam gelesen, aber jetzt erst springt mir ein Satz ins Auge, der das alles wie von Zauberhand zusammenzufassen scheint: Zitat: "Er übersah den ganzen Ring seines Lebens, nun lag er leider zerbrochen vor ihm und schien sich auf ewig nicht schließen zu wollen."
vom 06. September 2010
Kunstforum. Bd. 149 Januar - März 2000. Das Schicksal des Geld